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Die letzte Loveparade – Verlust und Verantwortung nach der Katastrophe

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Nach jedem Unglück wird irgendwann aufgeräumt. Alles sieht aus wie vorher. Für die meisten. Nicht aber für die, die für die Loveparade verantwortlich waren. Schon gar nicht für die Angehörigen der Opfer. Wie ist für sie das Jahr vergangen? Seit dem 24. Juli haben Fabians Eltern sein Zimmer nicht mehr betreten. In diesem Jahr wollte er sein Abitur machen, danach Informatik studieren. Bis an jenem Sonntagmorgen zwei Polizisten kamen und sagten, dass Fabian tot ist. Er war ihr einziger Sohn. “Wenn ich an dem Tisch sitze, dann weiß ich, er hat immer da gesessen. Jede Ecke in dieser Wohnung verbindet man mit ihm. Wir können das Zimmer von Fabi genauso gut zubetonieren, weil es nie wieder sinnvoll genutzt werden wird, zumindest nicht von uns.” Fabians Eltern planen den Umzug, einen Neuanfang, irgendwie. Weitermachen ist für sie unmöglich. Genau das versucht offenbar Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Was vielen absurd erscheint, für ihn bedeutet Weitermachen Ruhe, denn jeder Spatenstich, jede Einweihung, jeder Lokaltermin ist rettende Normalität. Keine Auszeit, keine psychologische Hilfe. Er hat die Verantwortung für das Unglück nicht übernommen, weil er sich sicher ist, keine Fehler gemacht zu haben. Und so nimmt er jeden Tag öffentliche Termine war. Wird angeschrien. Bedroht. Mit Ketchup bespritzt. Sauerland zieht sich um und macht weiter. Respektiert, wie er sagt, dass die Angehörigen ihn nicht sehen wollen. “Am Anfang hat man überhaupt keine Zeit dazu, wütend zu sein”, sagt Fabians Mutter. “Weil man es überhaupt noch nicht begreifen kann. Aber so langsam staut sich irgendwas. Man möchte jemanden haben, auf den man wütend sein kann.” Während Fabians Eltern sich über die Frage der Schuld zunächst wenig Gedanken machen, wird die Firmenzentrale von Veranstalter Rainer Schaller von der Staatsanwaltschaft durchsucht. Er selbst meidet die Öffentlichkeit. Traut sich nur mit Sonnenbrille und Mütze aus dem Haus. Hat sich psychologische Hilfe gesucht. Und die Videos seiner Überwachungskameras vom Tag ins Netz gestellt. Zur Aufklärung, sagt er. Die Videos werfen eine Menge Fragen auf: Nach einem Schichtwechsel der Polizei zum Beispiel – mitten am Nachmittag, mitten durch die Menge. Nach einem Gitter, über einen defekten Gully gelegt – am Haupteingang, wo später Menschen sterben. Und immer wieder die Frage nach dem Tunnel, einem Engpass, durch den alle Besucher müssen. Vor allem aber zeigen diese Bilder, was in den Minuten vor dem Unglück wirklich passiert ist. Viele haben Fehler gemacht. Rainer Schaller hat moralische Verantwortung übernommen. Nach fast einem Jahr trifft er sich mit den Angehörigen. Besucht noch einmal den Tunnel. Und nach langen Monaten erkennt auch Bürgermeister Sauerland, dass er nicht mehr “einfach weitermachen” kann. “Das hätte von mir kommen müssen. Die Übernahme moralischer Verantwortung, sich bei den Angehörigen der Opfer zu entschuldigen. Im Nachgang weiß ich es, es tut mir auch unendlich Leid, dass ich es nicht getan hab, sofort, sondern, dass so viel Zeit vergangen ist.” Ändert das etwas? Ein Bürgermeister, ein Veranstalter und die Eltern eines Opfers – keiner glaubt, dass man je wieder sein wird wie vor der Katastrophe. Eva Müller und Maik Bialk haben sie ein Jahr lang bei dem Versuch begleitet, die Katastrophe und ihre Folgen zu überstehen.

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